Ob Fertigung, Physik, Mathematik, Optik oder komplexe Technologien: Diana Llorente findet für jedes Thema die richtige Formulierung auf Spanisch. Seit neun Jahren arbeitet die studierte Physikerin und ehemalige Ingenieurin als zertifizierte technische Übersetzerin in Barcelona. Für Diana ist die Voraussetzung für eine gute Übersetzung eine intensive Auseinandersetzung mit der Technologie und den Produkten, von denen die Texte handeln – und sie hat eine dezidierte Meinung zu KI in diesem Umfeld.
Auch in Barcelona war ich zunächst noch in technischen Positionen tätig. Der Grund für meinen Umzug war eine Stelle bei einem Hersteller medizinischer Geräte, wo ich für die Qualitätssicherung verantwortlich war. Zudem hat es mich einfach gereizt, in einer so aufregenden Stadt wie Barcelona zu leben, wo ich bereits meine Kindheit verbracht hatte. Und nicht zuletzt ist das Leben am Meer natürlich sehr attraktiv😉.
Das Thema Übersetzung fand ich schon immer interessant, es dauerte dann allerdings noch einige Jahre, bis ich mich dazu entschloss, meinen bisherigen beruflichen Weg nach so vielen Jahren hinter mir zu lassen und mich als Übersetzerin selbstständig zu machen. Heute muss ich sagen: Das einzige, was ich bedauere, ist, dass ich es nicht früher getan habe.
Was sind deine Schwerpunkte bei Übersetzungen, für welche Zielgruppe sind deine Texte?
Ich übersetze Texte genau aus den Fachgebieten, die ich studiert und in denen ich gearbeitet habe. Das heißt, ich verstehe nicht nur den zu übersetzenden Text, sondern den gesamten Kontext: den Markt, den Sprachduktus der Kunden und ich weiß, welche gesetzlichen Regelungen ich recherchieren muss.
Wenn ich zum Beispiel einen Text zu einer Spritzgussmaschine übersetze, kann ich mir dieses Gerät ganz konkret vorstellen, weil ich die Funktionsweise aus der Praxis kenne – somit weiß ich beispielsweise, welche Fehler in den Einzelteilen auftreten können. Geht es wiederum um Software, ist es sehr wahrscheinlich, dass ich schon mal eine ähnliche genutzt habe.
Diese Praxiserfahrung hat positive Auswirkungen auf das Ergebnis der Übersetzung: Wenn der Übersetzer dagegen den Ausgangstext selbst nicht komplett durchdringt, wird man auch seine Übersetzung nicht verstehen. Das ist wie beim „Stille Post”-Spiel.
Was war bisher dein Lieblingsprojekt?
Ich habe das große Glück, mir die Projekte aussuchen zu können. Insofern mag ich alle – und mir ist wichtig, dass sie abwechslungsreich sind. Aktuell teilen sich meine Aufträge zwischen Technikunternehmen, internationalen Organisationen und Lehrbüchern auf.
Mein letztes großes Projekt, an dem ich 13 Monate lang gearbeitet habe, war die Übersetzung eines Mathematikbuchs über lineare Algebra – und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Momentan stecke ich voll und ganz in einem Projekt, das die Reduktion von Treibhausgasemissionen als Ziel hat.
Du hast vorher in der Generalitat (der autonomen Landesregierung Kataloniens) gearbeitet – ein sicherer Job. Welche Herausforderungen siehst du als Selbstständige?
Tatsächlich habe ich vor allem sehr viele Vorteile darin entdeckt. Denn mir wurde eines klar: Wenn du einen Kunden verlierst, ist längst nicht alles verloren, denn es gibt immer noch andere. Man setzt also nicht alles auf ein Pferd – im Gegensatz zum Angestelltenverhältnis, bei dem man komplett von einem Arbeitgeber abhängig ist.
Darüber hinaus finde ich die Selbstständigkeit sehr spannend und abwechslungsreich. In den vergangenen neun Jahren habe ich nie aufgehört zu lernen. Das bezieht sich nicht nur auf die Themen, auf die ich mich spezialisiert habe, sondern auf ganz neue Aufgaben. Beispielsweise musste ich Erfahrungen sammeln, wie ich mir eine Bekanntheit bei potenziellen Kunden aufbaue, wie ich eine Website erstelle und diese gut positioniere oder wie ich mit den Programmen arbeite, die meine Kunden nutzen.
Seit ich selbständig bin, genieße ich das Leben in meinem Viertel sehr viel mehr, beispielsweise frühstücke ich gerne auswärts im Café und unterhalte mich mit der Bedienung. Aber vor allem gefällt mir meine Freiheit. Ich kann selbst entscheiden, ob ich an einem Kongress teilnehme, oder ob ich eine Pause einlege, um eine Runde im Meer zu schwimmen. Oder ob ich für einen Monat von Buenos Aires aus arbeite.
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Ich würde diese Freiheit um nichts in der Welt eintauschen. Allerdings setzt die Selbstständigkeit enorme Disziplin voraus, zum Beispiel, sich wirklich Zeit zu nehmen, um von der Arbeit abzuschalten. Daher habe ich mir seit ein paar Jahren auferlegt, „echten” Urlaub zu machen, ohne Laptop im Gepäck.
Jeder redet von KI. Welchen Einfluss haben Tools (DeepL ist ja nur ein Beispiel) auf deine Arbeit?
Automatische Übersetzungen gibt es schon seit vielen Jahren, allerdings werden entsprechende Tools inzwischen sehr viel breitflächiger eingesetzt. Das liegt einerseits an den Übersetzern, die sie von sich aus nutzen. Andererseits geben Übersetzungsagenturen oftmals die Verwendung entsprechender Tools vor und drücken aufgrund der vermeintlichen Arbeitserleichterung die Honorare, die sie zahlen.
Als Konsequenz daraus beschränken sich viele Übersetzer darauf, nur noch die Ergebnisse der automatischen Übersetzung zu korrigieren. Da die Bezahlung so gering ist, muss man mehr Wörter pro Stunde übersetzen, sodass die Arbeit oft oberflächlich und schnell gemacht wird. Es bleibt wenig Zeit für eine gründlichere Recherche zu Produkten oder zum Vergleichen verschiedener Quellen.
Siehst du KI eher als Gefahr oder Chance für den Beruf der Übersetzer*in?
Das hängt ganz davon ab, wie man sie einsetzt. Als Hilfstool für bestimmte Aufgaben und Projekte kann sie sehr hilfreich sein. Ich gebe beispielsweise ab und zu ChatGPT den Befehl, mir eine Tabelle zu erstellen, wie man einen bestimmten Begriff in verschiedenen spanischsprachigen Ländern verwendet – und das ist sehr hilfreich.
Meiner Ansicht nach besteht das Risiko darin, dass das Potenzial von KI überschätzt wird. Die meisten testen die Technologie mit allgemeinen Sätzen und denken dann, es funktioniere perfekt, man müsste nur hier und dort ein bisschen finetunen. Tatsächlich versagt KI aber, wenn es um spezielle, komplexe Themen geht. Das liegt daran, dass es weniger öffentlich zugängliche und zuverlässige Informationen gibt, mit der man die Engine füttern kann. Letztlich wendet man dann soviel Zeit für die Überarbeitung auf, dass es sich nicht lohnt.
Auf jeden Fall ist der wichtigste Faktor, damit eine KI nützlich ist, dass der Übersetzer selbst entscheidet – mit seinem Wissen und seiner Erfahrung – ob und wie er sie für ein bestimmtes Projekt einsetzt.
Nochmal weg von der KI, zum „Real Life“: Inwieweit hat sich das Leben in Barcelona verändert?
Ich erinnere mich, dass, als ich klein war, das Leben mehr auf der Straße stattgefunden hat. Zum Beispiel aßen wir an Sant Joan* mit den Nachbarn zu Abend und machten ein Lagerfeuer direkt an der Ecke. Das gibt es auch heute noch, aber weniger. Und ich weiß noch, wie die Ramblas damals aussahen, mit den ganzen Blumengeschäften und Familien, die dort spazieren gingen.
In einigen Aspekten hat sich Barcelona sehr verbessert, das Wichtigste war die Verschönerung des Strandes, der vorher quasi nicht existiert hat beziehungsweise nicht so genutzt wurde, anlässlich der Olympischen Spiele von 1992. Gleichzeitig gibt es jetzt so viele Touristen, dass es in manchen Gegenden schwierig ist, ein „normales“ Leben zu führen. Es gibt ganze Viertel, in denen sich die Geschäfte und Restaurants einzig und allein auf diese Zielgruppe ausrichten.
*Nationalfeiertag am 24. Juni in Spanien, am Vorabend feiert man dort die Sommersonnenwende (das „Johannisfest“ oder die „Johannisnacht“).
Welche Pläne und Ideen hast du für die Zukunft?
Vergangenes Jahr bin ich viel gereist, dieses habe ich Barcelona und die Umgebung mehr genossen. Ich habe mir vorgenommen, ein paarmal im Monat Ausflüge oder Wanderungen zu machen, zudem nehme ich an Schwimmwettbewerben im Meer teil.
Und ich denke bereits über das Ziel meines nächsten Urlaubs nach: Da ich es mir seit ein paar Jahren zur Gewohnheit gemacht habe, im Januar zu verreisen, wird es wohl etwas weiter weg sein. Ich genieße es, den Winter zu verkürzen, indem ich meinen Wohnort temporär auf die andere Erdhalbkugel verlege.
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Héroes de natación: Das Meer ist in Barcelona ein wichtiger Teil des Lebens |
Zu guter Letzt: Wie sieht für dich ein perfekter Tag in Barcelona aus?
Ich liebe den Strand, daher ist eine meiner liebsten Beschäftigungen im Sommer, mit dem Fahrrad in ein nahegelegenes Dorf zu fahren, um dort ein paar Stunden entspannt im Sand zu liegen und zu lesen. Dann abends noch ein schönes Open-Air-Konzert mit Rumba und Freunden – das ist der perfekte Tag für mich.
Weitere Informationen zu Diana und zu spanish technical translations gibt es hier.