Barcelona für vier Monate

Barcelona für vier Monate

Freitag, 30. Oktober 2015

Und das Beste zum Schluss: „Must sees“



Barcelona ist toll, das brauch ich wohl nicht zu wiederholen. Dennoch möchte ich an dieser Stelle noch auf ein paar Highlights (sicher sehr subjektiv) hinweisen, die man nicht verpassen sollte – natürlich mal wieder viel zu lang für einen Blogpost... Einige davon habe ich sicher schon in dem einen oder anderen Post erwähnt, aber hier nochmal auf einen Blick.

1.      Stadtrundfahrt der anderen Art. Mit dem Bus Nr. 120 kommt man für ein Einzelticket (2,15 Euro) durch die engsten Gässchen in den schönsten Vierteln, El Raval, Barri Gótic und El Born. Einsteigen einfach am Mercat de Sant Antoni, dann geht es ca. 40 Minuten in einer Rundfahrt durch die nettesten Eckchen (und zwischendurch steigen „ganz normale“ Einheimische ein). 

2.       Kulinarische Highlights. Einer meiner Lieblingsplätze zum Fischessen ist das Casa Blanca, ein Bistro, das direkt an das temporäre Marktzelt des Mercat de Sant Antoni angeschlossen ist. Leckerfrischer Fisch und Meeresfrüchte für 7 oder 8 Euro, dazu ein frischfruchtiger Rosé für weniger als 2 Euro. 



Wesentlich teurer, aber auch sehr gut und mit mehr Show ist das Restaurant Salamanca direkt am Strand von Barceloneta. Gefühlte 50 Kellner „alter Schule“ schwirren zwischen den Tischen auf der Terrasse und im Lokal hin und her. Und man genießt den tollen Blick auf die „blaue Stunde“ am Strand. Unbedingt probieren: Arroz negro (wenn auch nicht besonders schön, aber die Kellner sind durchaus bereit, sich damit fotografieren zu lassen, wie man sieht:-). 




Das beste Falafel gibt es definitiv im Maoz in der Carrer der Ferran, ganz in der Nähe der Plaza Reial. Die besten Tapas: Ganz einfach, dafür frisch, lecker, günstig: so wie im La Plata stell ich mir die ursprünglichen Tapasbars vor, die noch nicht 100 % auf Tourismus ausgerichtet waren. "Si buscas un bar auténtico..." - so das Intro auf der Website. Und tatsächlich gibt es hier überhaupt keinen Schnickschnack, sondern einfach drei, vier, fünf Tapas vom Feinsten: frittierte Sardinchen (muy rico), Tomatensalat mit sehr viel Zwiebeln und leckeren Mini-Oliven, Botifarra (fette Bratwurst auf Brot), als Äquivalent Sardine auf Brot - und das war's - das aber in Top-Qualität und günstig. Der Kellner (immer der gleiche) schnell, freundlich und auf Zack, die Toilette hinter der Bar. 



3.       Aussichten. Egal, ob Meer, Sagrada Familia oder Torre Agbar: Barcelona hat an jeder Ecke und für jeden Geschmack was zu bieten - ein Paradies für Fotografierfans. Hier eine kleine Auswahl an Top-Spots, die sich nicht nur zum Fotografieren, sondern auch herrlich für einen Sundowner eignen, bevor es weitergeht ins lebendige Nachtleben. Von der Terrasse vor dem MNAC (Museu Nacional d’Art de Catalunya) hat man einen tollen fototauglichen Blick auf die Plaza Espanya. Von hier aus lässt sich auch das Lichter- und Musikspektakel des Magic Fountain, das immer donnerstags bis sonntags ab circa 22 h stattfindet, beobachten, wenn man sich nicht weiter unten am Brunnen in die Menschenmassen stürzen möchte (wo man zugegebenermaßen die Klassikmusik besser hört). 



...und hinterher gibt es manchmal auch Tanz mit Bontempi-Orgel
Gleich gegenüber auf der anderen Seite des riesigen Kreisels bietet die Terrasse im Einkaufszentrum Las arenas mit vielen Restaurants – von japanischer bis katalonischer Küche – den Gegenblick auf den Hausberg Montjuic und das Museum. Nicht zuletzt ist Barcelona auch bekannt für seine Rooftop-Bars (die oft zu einem Hotel gehören). Auch wenn die Preise gesalzen sind, die 360 Grad-Aussicht vom Hotel Barcelo Raval beispielsweise ist unbezahlbar. Und theoretisch kann man sich sogar Handtuch und Badezeug mitnehmen und auch als Nicht-Hotelgast in dem (allerdings winzigen) Pool abkühlen (Schwimmen wäre schon zuviel gesagt). Eine unvermutete und günstige Alternative etwas mehr „down to earth“: Die Cafeteria des Kaufhauses El Corte Inglés an der Plaza Catalunya. Im neunten Stock kann man sich hier ebenfalls einen tollen Rundumeindruck vom Zentrum Barcelonas, inklusive Gaudí-Bauten, verschaffen und dabei zu humanen Preisen Kaffee und Kuchen oder Bocadillo und Bier im unverfälschten Siebzigerjahre-Design bei der Betrachtung des Sonnenuntergangs genießen. Sorry, ich liebe solche Locations, daher ein paar mehr Fotos:-). 




Sangria to go

4.       Weggehen lebensnah. Neben den zuvor schon erwähnten Clubs gibt es auch zahlreiche Bars mit Live-Musik (ohne Eintritt!), die immer einen Besuch wert sind. Eine meiner Lieblings-Locations: die London Bar mit Pub-Flair und Glittervorhang. 



Ebenso zieht das Gipsy Lou jeden Abend (zu verschiedenen Musikstilen wie Reggae, Rumba oder Tango) unprätentiöse Menschen mit großem Spaß an Musik (und Polonaisen, dafür scheint es übrigens nochmal eine besondere spanische Affinität zu geben und das wäre eine eigene Beobachtung wert:-) an. Immer wieder erstaunlich, wie viele Musiker auf die maximal fünf Quadratmeter großen Bühnen passen. 



Mit familiärer Atmosphäre, langen Öffnungszeiten und ebenfalls hin und wieder Live-Programm punktet das Mariatchi, eine Familienbar, in der jeder jeden zu kennen scheint und wo man auch einfach mal hingehen kann, wenn man gerade keine Verabredung hat und nicht weiß, was man machen soll. Weiterhin empfehlenswert (und mein persönlicher All-time-favourite): Die Bar Pasaje im Barri Gótic. Hier sitzt man einfach mal so im Durchgang zwischen zwei Straßen und vor dem Hauseingang, wo andere Leute wohnen, Briefkästen inbegriffen. 





5.       Fiestas. Puuuh, die hatte ich ja schon in einem Extra-Blogpost beschrieben. Dennoch seien sie an dieser Stelle nochmal erwähnt, weil zu gut zum Verpassen. Also, wenn man plant, nach Barcelona zu fahren, am besten Juli/August/September. Hier in Kürze nochmal meine „Best ofs“. Poble Sec: sehr eng, voll, mit Riesenbarbecue, ohne Schnickschnack. Am besten U-Bahn Parallel aussteigen und einfach drauflosfeiern. Zum späteren Abtanzen in den Club Plataforma oder ins Sala Apolo 2 (Indie). Gracia: schönste Straßendeko, vor Live-Musik kann man sich kaum retten, leider auch nicht vor Menschen. Sants: alternativer, Industrial Flair, auch ein großer Karussellbereich direkt am Bahnhof Sants Estació. Fiesta de la Mercè: Die Krönung zum Schluss der Saison. Spektakel, Konzerte, Aktionen an jeder Ecke und zum Abschluss das Pyro-Musical: Ein Event, das mit der bunten Beleuchtung von MNAC und Brunnen an der Plaza Espanya, einem eindrucksvollen Feuerwerk und musikalischer Untermalung alle Sinne in Anspruch nimmt. Verabreden sollte man sich allerdings nicht dort vor Ort, weil einfach ab einer gewissen Uhrzeit kein Fortkommen mehr ist. Also entweder zwei Stunden vor Beginn da sein, oder aus der Metro fallen und sich mit dem Standplatz abgeben, wo man gerade ist:-). 

6.       Strand. Der Strand von Barceloneta ist für einen Stadtstrand durchaus annehmbar, wenn man sich weite Anfahrten ersparen will. Allerdings pilgert man von der gleichnamigen U-Bahnhaltestelle gut 10 bis 15 Minuten an der elendlangen Promenade an ewig vielen Touri-Restaurants und im Strom mit gefühlt 1.000 anderen Touristen Richtung Meer, wo man sich dann um Liegen und Schirme kloppen kann. Sofern man den etwas weiteren Weg nicht scheut, sollte man lieber mit der U-Bahn (gelbe Linie) noch ein paar Stationen weiter bis Bogatell oder Poble Nou fahren. Dort ist es sehr viel weniger bevölkert und ruhiger. In dem sympathischen Viertel Poble Nou kann man hinterher in einem der zahlreichen Restaurants an der Rambla einkehren. Und wenn man schon am Strand ist, darf man natürlich eines nicht verpassen: Einen Sundowner in einer Strandbar, den sogenannten Chiringuitos, die sich im Abstand von fünf bis zehn Laufminuten am Strand aufreihen. 




7.       Auszeit. Barcelona ist wunderbar auch und vor allem zum Feiern, aber irgendwann braucht man auch mal „Ruhe“ (in Anführungszeichen, weil relativ). Der Parc de la Ciutadella ist wohl mit die bekannteste und größte Grünoase mitten in der Stadt. Zentrum der Weltausstellung 1888 und hinter dem Designer-/In-Stadtviertel El Born gelegen, hat der Park heute ein gewisses Hippie-Flair. Aus irgendeinem Grund bevölkern hier immer jede Menge Jongleure, Artisten, Bongotrommler und andere selbsternannte Künstler die grünen Flächen. Um einen Mangel an Getränken, Essen und Drogen muss man sich keine Gedanken machen – diese (also v. a. Cervezas in sehr unterschiedlicher Qualität) werden einem in schönem Abstand von max. fünf Minuten von wechselnden „fliegenden Händlern“ angeboten. Für ein Bier sollte man nicht mehr als 1,50 Euro zahlen, wenn möglich Estrella (oft sind auch Billigdiscounter-Sorten unterwegs). 



Und dann gibt es noch die Schwimmbäder. Wozu?, fragt man wohl berechtigterweise bei einer Stadt am Meer. Aber das Schwimmbad auf dem Montjuic und das Schwimmbad unterhalb des Torre de San Sebastián sind einfach zu gut, alleine schon wegen der Aussicht (letzteres übrigens nur mit Badekappe im Schwimmerbecken und mit einem Eintrittspreis von stolzen 12,19 Euro).

Hier keine Badekappenpflicht und überteuerte Preise, einfach nur tolle Aussicht!

Es gäbe noch sooooo viel Geschichten zu erzählen… Ich denke aber, alles andere wie kulturelle Highlights und Märkte habe ich an anderer Stelle ausschweifend genug beschrieben bzw. findet man dazu mehr als genug in den einschlägigen Reiseführern. Damit war’s das leider – zumindest für dieses Jahr – erstmal mit Barcelona:-(. Aber es gibt immer ein nächstes Mal. Und wie mein Kollege immer sagt: „Dos cervezas por favor“ geht immer!

Montag, 12. Oktober 2015

Kurz vorgestellt: La mano loca – magische Hände


Wer Barcelona besucht, sollte El Raval nicht verpassen. Das einst anrüchige, als gefährlich bekannte Viertel, in dem traditionell ein hoher Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund (wie man so schön sagt) wohnt, hat sich innerhalb weniger Jahre zu einem der angesagtesten Ausgehviertel entwickelt. Aber nicht nur nachts, auch tagsüber lohnt sich ein Besuch. Immerhin befinden sich hier in Nähe des wunderschönen alten Universitätsgebäudes auch das (schon so oft erwähnte) Museum für zeitgenössische Kunst (Museu d'Art Contemporani de Barcelona – MACBA) sowie jede Menge nette kleine Läden, Bars und Cafés in den engen Gassen. Und im Herzen dieses Barrio: La mano loca.

Zweite von links: La mano loca

La mano loca (deutsch: die verrückte Hand) ist ein Friseursalon, von denen es in El Raval zahlreiche gibt. Doch es ist nicht irgendein Friseursalon. Seele des Ladens sind Nico und Noelia (kurz: Noe), die ihre Kunden mit Herz, Humor und Fingerfertigkeit erwarten. Spa, Beauty & Personal Care versprechen die Mädels auf ihrer FB-Page.

Seit sieben Jahren gibt es La mano loca in der Carrer de Ferlandina, 41. Gegründet von Nico, die vor 9 Jahren aus Nizza nach Barcelona gezogen ist. Seit knapp 1,5 Jahren wird sie unterstützt von Noe, die schon seit 12 Jahren im Geschäft ist. Kennengelernt haben sich die beiden bei einer Freundin, inzwischen sind sie ein unschlagbares Team. 

Halbe Sachen sind hier nicht angesagt: Jeden Tag sein Bestmögliches geben – so das Motto. „Wir gehen gerne zur Arbeit“, erklärt Nico – und spricht damit auch für Noe: „Das ist der erste Job, bei dem ich mich nicht langweile“, meint sie. Platz für Verbesserung gibt es natürlich allem Idealismus zum Trotz auch hier. Zuhause bei Nico werden Pläne ausgetüftelt, wie man den Service noch verbessern kann, Vermarktungsideen entwickelt, Videos umgesetzt.

Nach Feierabend eine Zigarette: Noe (li) und Nico - Herz und Hand von La mano loca

Hierher kommen nicht nur Kunden, die sich ihre Haarpracht verschönern lassen wollen. Das Sofa an der Wand ist regelmäßig besetzt von Freunden, Familie, Nachbarn und Leuten, die einfach ein Schwätzchen halten möchten. Ein 83jähriger Herr beispielsweise kommt jeden Tag vorbei und bringt den beiden Obst oder andere Leckereien. Eine Nachbarin bittet die Mädels, ihren englischen Lebenslauf Korrektur zu lesen. La mano loca ist nicht nur Friseursalon, sondern Treffpunkt für das ganze Viertel. Auf dem fünfminütigen Weg zur Arbeit wird Noe, die ums Eck wohnt, von 15 Leuten gegrüßt.

Als Nico angefangen hat, gab es in der Nachbarschaft überwiegend altmodische Salons aus den 1960er Jahren. La mano loca selber befindet sich ebenfalls in einem Salon von 1962, den Nico von der ehemaligen Eigentümerin Marga übernommen hat.

Die ehemalige Eigentümerin (re) legt Hand an die Braut

Inzwischen hat sich jedoch einiges getan in El Raval. Es gibt eine große Auswahl moderner Hairdressershops, auch zwei „gute“ in unmittelbarer Nähe. Wettbewerb gibt es jedoch nicht. „Jeder hat seine Kunden, keiner nimmt dem anderen was weg“, meint Nico. 

Insgesamt hat sich einiges im Viertel verbessert, erklären die beiden. Das haben auch die Touristen erkannt, de El Raval inzwischen – ebenso wie die anderen Viertel Barcelonas – bevölkern. Dennoch muss man unterscheiden: Im unteren Teil an der Rambla de Raval gibt es ungebrochen „Negocio de noche“ mit Schlägereien, Drogen, Prostitution. Weiter oben, wo sich auch La mano loca befindet, Tagesgeschäft. Die Grenze bildet die Carrer de Hospital. 


Spannend und vielseitig - die unmittelbare Nachbarschaft von La mano loca
....inklusive MACBA mit den obligatorischen Skatern...
...und meiner Lieblings-Live-Bar

„Ich fühle mich zu Hause“, sagt Nico. „Ich mag die Menschen, das Leben hier. El Raval ist ein sehr familiäres Viertel, wo sich die Bewohner kennen, miteinander reden und sich gegenseitig helfen. Gleichzeitig hat es ein Bohème-Flair. Das Schicksal hat mich hierher geschickt. Nicht ich habe El Raval gewählt, das Viertel hat mich gefunden.“

Apropos Veränderung: Wechsel ist auch im Salon angesagt. Regelmäßig alle paar Monate ändert sich das Innen-Design, für die aktuelle Wandgestaltung ist Nicos Bruder (Walls & Wonders) verantwortlich. „Ich verändere die Einrichtung, wenn ich mich sattgesehen habe“, sagt Nico.



Ich habe die verrückten Hände gleich selber ausprobiert – erstens, weil ein Friseurbesuch dringend notwendig war und zweitens, weil ich sehen wollte, ob das FB-Versprechen (s. o.) eingehalten wird. Kann ich nur bestätigen: Bei La mano loca fühlt man sich gut aufgehoben – auch mit widerspenstigen dicken Locken:-). Und das ist das Resultat: