Barcelona für vier Monate

Barcelona für vier Monate

Freitag, 24. Juli 2015

Barcelona und die Krise


Spanien steckt in der Krise – und Griechenland noch mehr (aber das ist eine andere Geschichte). Ob sich das auch in Barcelona bemerkbar macht? Immerhin gehört Catalunya (oder zu Deutsch: Katalonien) ja zu den wirtschaftsstärksten Autonomen Gemeinschaften der Iberischen Halbinsel. Und Barcelona ist hauptsächlich bekannt für Massen an Touristen, die Geld in die Stadt bringen, und fröhliche Menschen, die die ganze Nacht feiern.


Doch zwischen dieser fröhlichen und relaxten Oberfläche sind immer wieder auch Brüche zu erkennen. Inwieweit diese allein Resultat der seit Jahren andauernden Krise sind oder schon länger bestehen, kann wohl nur ein Einheimischer beantworten. Aber als Außenstehender hat man schon das Gefühl, die Situation ist angespannter.

Sand drüber: beliebtes Mittel in der U-Bahn, wenn mal was daneben geht


Eine Möglichkeit, das magere Einkommen – sofern überhaupt vorhanden – aufzustocken, ist die private Untervermietung von Zimmern. In Barcelona mit seiner Fülle an Touristen, internationalen Studenten und Expats kein Problem, die Nachfrage besteht. Für manche ist die kurzfristige Vermietung von Unterkünften über Airbnb zur Haupteinnahmequelle geworden. Andere bieten Zimmer über Plattformen wie pisocompartido.com oder idealista.com an. Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist, dass die Besitzer der Wohnung sich dafür selber in der Nutzung ihres Wohnraums (z. T. stark) einschränken. Nuria* z. B. teilt sich das Schlafzimmer mit ihrer achtjährigen Tochter, Carla ein ungefähr acht Quadratmeter großes Zimmer ohne Fenster und mit Stockbett mit ihrem Teenagersohn und Hund. Das große helle Zimmer mit Doppelbett, Balkon und direkter Aussicht auf die Sagrada Familia ist der Untervermietung – vorwiegend an ausländische Studentinnen – vorbehalten.  „Ihr habt halt keine Krise in Deutschland“ – so ihre Antwort auf die naive Aussage meinerseits, dass das mit dem Untervermieten in Spanien ja so schön unbürokratisch gehe.

 

Mehr als eine Baustelle


Gleich in den ersten Tag bin ich mitten in einen Streik der Movistar-Mitarbeiter vor dem Mobile World Centre an der Plaza Catalunya reingerannt. Angeprangert wird, dass Movistar seine Techniker ausbeutet, drastischer ausgedrückt „wie Sklaven behandelt“. „Arbeitstage von 10 bis 12 Stunden und Verträge zum In-die-Tonne-kloppen“ heißt es in einem Flugblatt. Während Movistar die Kosten für seine Kunden erhöhe, senke das Unternehmen regelmäßig die Gehälter seiner Mitarbeiter. Der Streik ist ein Kampf gegen die Mutterfirma Telefónica und gleichzeitig gegen alle Multikonzerne, die die „Arbeiterklasse versklaven“. Antwort auf die Frage, wie lange dieser Streik wohl noch dauert: „Kann morgen zu Ende sein oder drei Monate dauern.“

 

Wie ein Symbol für die Finanz-und Immobilienkrise, die ganz Spanien 2007 erfasst hat, ragt das Baugerüst des Mercat de Sant Antoni in die Luft. Die Renovierung ist ein Work in Progress, ähnlich wie die Sagrada Familia zieht sich die Fertigstellung seit 2009 hin, aktuell ist die Wiedereröffnung für nächstes Jahr prognostiziert. In der Zwischenzeit müssen Besucher vorlieb nehmen mit Zelten, die eine nicht ganz so malerische Kulisse bilden. „In Spanien geht nichts voran“, sagt ein Passant desillusioniert auf die Frage, wann denn mit der Fertigstellung des Marktes zu rechnen sei. In Deutschland hätten wir zumindest den Mindestlohn, hier arbeiteten die Leute für  4 bis 5 Euro die Stunde. Von Renovierung ist übrigens auf der offiziellen Website des Marktes gar nicht erst die Rede: http://www.mercatdesantantoni.com/index.php.

Das Original
Die Übergangslösung


Dass hier Leute vor den Eingängen in Bankfilialen oder auf der Straße übernachten, gehört zum Stadtbild. Größer könnte der Kontrast zum Luxusdampfer im Hafen wohl kaum sein. Aber er bringt Touristen – und damit wiederum Einnahmen.







*Namen sind selbstverständlich geändert

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